Aus der Nische in die Breite: Der Kautionsmakler Gracher expandiert kräftig in das Geschäft mit Factoring, Debt Advisory und Warenkreditversicherungen. Wie es dazu kam – und was Gründer Alfons-Maria Gracher damit bezweckt.
Herr Gracher, Sie sind ursprünglich als Spezialist für Kautionsversicherungen gestartet, also in einer kleinen Nische, die für zahlreiche deutsche Unternehmen aber wichtig ist, wenn sie Handel im Ausland betreiben. In den vergangenen drei Jahren haben Sie das Portfolio aber deutlich ausgebaut – Factoring, Warenkreditversicherung und Debt Advisory gehören inzwischen auch dazu. Warum?
Vor rund acht Jahren stand ich an einem Scheidepunkt und habe mir die Frage gestellt: Bleibe ich klein in der Nische – oder baue ich deutlich aus? Damals beschäftigten wir rund 15 Mitarbeiter und hatten neben der Zentrale in Trier ein Büro in Bulgarien. Angesichts der hohen Fixkosten gab es nur diese beiden Optionen, denn die Ertragssituation war nicht zufriedenstellend. Deswegen musste eine Entscheidung fallen, und ich habe mich für die Offensivstrategie entschieden.
Hat sich der Schritt aus heutiger Sicht gelohnt?
Ja, auf jeden Fall, denn wir haben unseren Umsatz seitdem verzehnfacht. Allein die Neugeschäftsprämien lagen im Jahr 2021 bei 21,6 Millionen Euro. Unsere Personalstärke liegt inzwischen bei 62. Alleine in den vergangenen zwölf Monaten haben wir neun neue Mitarbeiter eingestellt. Wichtig ist mir, dass sie sich in ihren Fachgebieten sehr gut auskennen. Unser Anspruch ist, bei Kaution, Warenkreditversicherern, Factoring und Debt Advisory in der Champions League mitzuspielen. Das war in der Vergangenheit zugegebenermaßen nicht immer so.
Ihr Anspruch klingt fast etwas gewagt, in jedem Ihrer erwähnten Geschäftsfelder gibt es starke Wettbewerber.
Ich nenne Ihnen das Beispiel Factoring: Hier ist seit zwei Jahren mit André Ofenloch ein Spezialist für uns tätig, der über 20 Jahre für die Coface aktiv war. Er kennt den Markt extrem gut. Allein in den vergangenen 20 Monaten hat das Factoring-Team mehr als 40 Factoring-Lösungen in M&A-, Carve-out oder auch Restrukturierungssituationen arrangiert. Speziell Private Equity ist ein wichtiger Treiber, weil über Factoring Transaktionssicherheit hergestellt werden kann.
Factoring-Gesellschaften gibt es viele, man kann sie auch direkt ansprechen. Welchen Mehrwert bietet da Ihr Ratschlag?
Wichtig ist es etwa, die Erwartungshaltung zu managen. Was ist bei einem Factoring-Anbieter möglich – und was nicht? Speziell Private-Equity-Gesellschaften erwarten bei Transaktionen Verbindlichkeit, damit das Working Capital steht. Wir begleiten sogar die Implementierung bis zur ersten Auszahlung.
Treasurer befassen sich immer mehr mit Bürgschaften
Debt Advisory ist auch ein Geschäft, dass bei Ihnen relativ neu ist. Wie kam es dazu?
Die Kundennachfrage war da und wir haben mit Christian Wolber einen ehemaligen Investmentbanker eingestellt, der für das Thema zuständig ist. Eher durch Zufall habe ich meinen heutigen Co-Geschäftsführer Carl E. Hoestermann kennengelernt. Er war zuvor im Corporate-Finance-Bereich von Hochtief tätig und verfügt über sehr viel Erfahrung. Wir beraten Unternehmen in Sachen Finanzierung. Spannend ist, dass es in den Treasury-Abteilungen inzwischen immer mehr auch das Geschäft mit Bürgschaften angesiedelt ist. So haben wir oft gleich mehrere Ansatzpunkte für Geschäfte, wir nennen es 360-Grad-Ansatz.
Das Honorar bezahlen Ihnen in der Regel aber die Versicherer oder Anbieter, deren Produkte Sie vermitteln, richtig?
In der Regel schon. Es gibt aber zunehmend Situationen, in denen es darum geht, komplexe Strukturen aufzusetzen und womöglich auch mit bestehenden Finanzierungspartnern zu verhandeln. Das ist aufwendig, weshalb wir dafür auch eine gesonderte Fee berechnen.
„Die Kautionsversicherer agieren momentan wegen des Ukraine-Kriegs etwas zurückhaltend.“
Alfons-Maria Gracher
Wenn Sie nach vorne schauen: Was sind die Planungen für 2022?
Wir wollen auch im laufenden Jahr weiter wachsen – bei den Prämien und personell. Die Mitarbeiterzahl soll auf über 70 steigen, bis Ende 2025 soll sich der Umsatz nochmal verdoppeln.
Ist das nicht sehr optimistisch?
Nein, denn vor drei Jahren haben wir uns ebenfalls eine Umsatzverdoppelung vorgenommen – und sie schon nach zweieinhalb Jahren erreicht. Jetzt sind wir bereit für den nächsten Sprung.
Und wie wirkt sich der Ukrainekrieg auf Ihre Pläne und das Geschäft aus?
Die Kautionsversicherer agieren momentan wegen Russland und des Ukraine-Kriegs etwas zurückhaltend. Es ist aber nicht so, dass sie keine Risiken mehr zeichnen. Sie schauen sich Engagements nur sehr genau an. Natürlich bewegen die Kunden die Materialpreise, Inflation, Transport und Beschaffung. Da wollen wir unterstützen und Mehrwert schaffen.